Das Gastgewerbe hat nach mehr als zwei Jahren Pandemie massiv mit Personalmangel zu kämpfen. Nachdem bis zum Jahr 2019 die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Gastgewerbe stetig gestiegen ist, wurde in den Jahren 2020 und 2021 erstmals ein Einbruch der Beschäftigtenzahlen verzeichnet. Im Zuge des Lockdowns und der Kurzarbeit hatten viele Beschäftigte das Gastgewerbe verlassen. So ist der Personalbestand mit über 350.000 Beschäftigten massiv geschrumpft. Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA suchen mehr als 60 Prozent der Betriebe in der Branche händeringend Fach- und Hilfskräfte.
Die Anzahl der Beschäftigten in der Gastronomie sank um 23,4 Prozent und somit um knapp ein Viertel im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019. Bars hat es mit 44,7 Prozent noch stärker getroffen. Quelle: Statistisches Bundesamt |
Die Corona-bedingte Schließung der meisten Restaurantbetriebe hat das Personal in der Gastronomie gezwungen, sich beruflich neu zu orientieren. Auch günstige Aushilfskräfte wie Schüler und Studenten haben sich spätestens mit Ende der zweiten großen Pandemiewelle neue Jobs gesucht. Die Folge: ein massiver Personalmangel, den die Branche so noch nicht erlebt hat und in starke Bedrängnis bringt.
Besonders schwerwiegend ist der Verlust von ausgebildeten Fachkräften. Für viele Köche und Kellner mit mehrjähriger Berufserfahrung war die Krise der Anlass für einen Quereinstieg in andere Branchen. So ist der aktuelle Arbeitsmarkt für qualifiziertes Gastro-Personal praktisch wie leergefegt. Die Besetzung freier Stellen durch Nachwuchs ist ebenfalls mehr als schwierig. Denn eine Ausbildung in der Gastronomie ist für viele Schüler:innen unattraktiv. Schon vor der Pandemie wurde jede zweite Ausbildung zur Restaurantfachkraft und zum Koch vorzeitig abgebrochen.
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Lösungen in Sicht?
Es gibt viele Ansätze, die zu einer Lösung der prekären Situation produktiv beitragen können. Laut einer Befragung der DEHOGA reagieren Betriebe auf fehlendes Personal mit Anpassung der Speisekarte (56,1 Prozent), mit einer höheren Bezahlung (54,1 Prozent), mit zusätzlichen Ruhetagen (51,9 Prozent), mit der Einstellung mehr unund angelernter Mitarbeiter:innen (43,7 Prozent) sowie mit Änderungen bei den Arbeitszeitmodellen (37,8 Prozent) und bei der Organisationsstruktur (34,1 Prozent).
Digitalisierung schafft Entlastung
Spätestens seit der Corona-Pandemie ist Digitalisierung ein Thema, das in den Medien rauf und runter diskutiert wurde. Auch in der Gastronomie gibt es digitale Tools, die Arbeitsabläufe leichter machen und somit wertvolle Zeit sparen.
Ein Online-Reservierungssystem entlastet das Personal. Die Annahme einer OnlineReservierung erfolgt automatisiert über das Internet. Eine online eingegangene Reservierung muss nicht mehr manuell eingetragen werden. Wenn Gäste doch anrufen oder spontan ins Lokal kommen, erhält das Personal gleich passende Tischvorschläge für die Gruppengröße und kann vorhandene Sitzplätze im Restaurant bestmöglich ausnutzen.
Auch wenn kein Weg mehr um Online-Reservierungen herumführt, bleibt das Telefon übergangsweise ein wichtiger Reservierungskanal - aber es bindet Mitarbeiter:innen. Allein die Beantwortung von Reservierungsanfragen via Telefon kostet jeden Tag viel Zeit, die im Service fehlt. Ein „smarter Telefonassistent“ bringt spürbare Entlastung. Der Telefon-Butler geht bei Anrufen automatisch ans Telefon und nimmt Reservierungen entgegen, die dann automatisiert ins digitale Reservierungsbuch übertragen werden.
Weniger Laufwege für Servicekräfte, schnellerer Service und mehr Zeit für andere Aufgaben ermöglicht die Self-Ordering-Funktion über QR-Codes. Gäste bestellen und bezahlen einfach von ihrem Sitzplatz aus kontaktlos per Smartphone. Auch die Automatisierung von standardisierten Prozessen und Abläufen kann massiv Personal sparen. So zapft zum Beispiel in einem Biergarten im Stuttgarter Schlossgarten ein Automat das Bier. Der Gast drückt nur noch einen Knopf. Sechs Maßkrüge werden platziert, automatisch gekippt, das Bier fließt, wenige Sekunden später sind sechs Maß gezapft. Oder automatische Spülstraßen, die das Geschirr und Besteck nicht nur reinigen und trocknen, sondern auch gleichzeitig sortieren und lagern, können wertvollen Freiraum für andere Tätigkeiten schaffen.
Attraktive Entlohnung
Insbesondere die Entlohnung war während des Lockdowns für viele Beschäftigte der Ausschlag für den Wechsel in andere Branchen. Kurzarbeitergeld und staatliche Lohnersatzleistungen beziehen sich lediglich auf das Grundgehalt. Das Trinkgeld, ein erheblicher Anteil des Einkommens in Service und Küche, fiel während der Lockdowns komplett weg. Oft genug blieb so den Mitarbeiter:innen zu wenig zum Leben. In Berlin kam zum Beispiel ein Koch nur auf 900 Euro - das reicht oft nicht einmal für die Miete.
Ein faires Gehalt ist ein wesentlicher Faktor. Während der Bruttolohn bei Dienstleistungen im Schnitt bei 22 Euro die Stunde liegt, sind es bei Restaurants und Hotels nur 14 Euro. Viele Interessierte schrecken neben der Bezahlung auch die damit verbunden regelmäßigen Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste ab.
Es kommt jetzt darauf an, Fachleute und Servicekräfte mit guten Konditionen zu werben. Dazu muss es gelingen, abgewandertes Personal zurückzugewinnen. Das kostet Geld! Die gestiegenen Personalkosten sind für einige Unternehmen eine absolute Herausforderung. Diese Kosten müssen weitergegeben werden. Auch die Gäste müssten bereit sein, für ein ordentliches Essen und eine gute Bewirtung mehr auszugeben.
Attraktive Arbeitszeitmodelle
In vielen Unternehmen sind Arbeitszeitmodelle ein fester Bestandteil des Arbeitsvertrages. Aber gerade in der Gastronomie ist es schwierig, den Wünschen von Fachpersonal nach flexiblen Arbeitszeiten und der Vereinbarung von Familie und Beruf nachzukommen und einen Kompromiss zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu erzielen.
Folgende Maßnahmen können dabei helfen, beiden Parteien gerecht zu werden:
Leichtere Zuwanderungsregeln
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) fordert erleichterte Zuwanderungsregeln für Personal aus dem Ausland. Zusätzlich zu der erleichterten Zuwanderungsregeln soll auch eine verbesserte Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten helfen, den Personalnotstand in der Gastronomie zu lindern. Die Unternehmen müssen unterstützt werden, Fach- und Arbeitskräfte auch aus Drittstaaten einstellen zu können. Dafür ist es unverzichtbar, die Verfahren zu vereinfachen, die Beschaffung von Visa zu beschleunigen sowie neue rechtliche Möglichkeiten der gezielten Erwerbsmigration zu schaffen.
Was bringt die Zukunft
Das Personalproblem in der Gastronomie wird sich nicht von alleine lösen. Dafür muss einiges getan werden, das auch nachhaltig wirkt. Was die Branche auf jeden Fall braucht sind Reformen bestehender Rahmenbedingungen, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, politisches Handeln sowie ein Umdenken bei Gastronomen und Gästen.
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